Vor diesem Post habe ich Wahnsinns-Respekt. Ich möchte dich teilhaben lassen, an der wortwörtlich schmerzhaftesten Erfahrung meines Lebens. Aber eigentlich geht es dabei um Selbstfindung, Akzeptanz und Frieden. Ich habe beschlossen, dir diese Geschichte in zwei Teilen zu erzählen. Den erste Teil schreibe ich, in einem Moment, in dem der Schmerz sehr präsent ist, ich diese Erfahrung also ganz unmittelbar mit dir teilen kann. Den zweiten Teil werde ich zu einem Zeitpunkt schreiben, an dem er nur ein blasses Echo ist und es mir noch leichter fällt, Dankbarkeit für das zu empfinden, was er für mich bedeutet.
Wie die meisten von uns, habe ich sehr früh im Leben gelernt, dass Schmerzen etwas sind, dem ich lieber aus dem Weg gehe. Heute sehe ich sie als Begleiter, Freund und Mentor. Woher kam dieser Sinneswandel? Dazu möchte ich dich mitnehmen, auf eine kleine Zeitreise, in den Sommer 2018.
Auch du, mein Sohn Brutus?
Wie genau es zu dem Verrat kam, weiß ich bis heute nicht. Es begann mit einem leichten Ziehen im Rücken. Da ich das von meiner Mens gewohnt war, widmete ich dem keine weitere Aufmerksamkeit. Auch nicht, als das Ziehen nach Wochen keine Anstalten machte wieder zu gehen. Doch das Ziehen war hartnäckig. Langsam aber sicher verwandelte es sich in einen stechenden Schmerz und es fiel mir zunehmend schwerer, es zu ignorieren. Ich bin sehr dankbar, dass ich Menschen um mich hatte, die merkten, dass etwas mit mir nicht stimmt und den Mut hatten, das auch direkt anzusprechen. Einem besorgten Blick und fürsorglichen Worten meines Chefs folgten diverse Arztbesuche. Schließlich die Diagnose: Bandscheibenvorfall.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht den Hauch einer Ahnung, was das bedeutet. Ich wusste nur eins: mein Körper, den ich so sorgsam behandelt hatte, hatte mich verraten. Ich spürte das Messer wortwörtlich im Rücken und ich war wütend. Diese Wut war der Beginn einer sehr langen und merkwürdigen Reise, die mich viel näher zu mir selbst geführt hat, als ich es mir je erträumt hätte.
Der Kampf – wann kann ich wieder Kopfstand machen?
Meine erste Frage an meinen Orthopäden war: was kann ich tun, um das zu beheben? Ich war wie besessen, von dem Gedanken, so schnell wie möglich wieder gesund zu werden. Wie der Phoenix aus der Asche, wollte ich, fitter als je zuvor, aus der Sache emporsteigen. Physiotherapie, Akupunktur, Restorative Yoga, Schwimmen, Wärmebehandlungen… Ich machte meine Genesung zu meinem Vollzeitjob und ich war flexibel, belastbar, kreativ, innovativ, begeisterungsfähig, teamfähig und.. äh.. kreativ! Schnell machte ich Fortschritte und ich war sehr stolz. In dieser Zeit machte ich große Pläne, für die Zeit nach meiner vollständigen Genesung. Reisen, Freunde besuchen, sportliche Erfolge. Ich spürte einen wahnsinnigen Lebenshunger und wollte einfach alles erleben! Dann kam der große Knall und mit ihm die Stille.
Rien ne va plus – nichts geht mehr
Eines Tages ging dann einfach nichts mehr. Das Stechen im Rücken war zu einem lähmenden Schmerz geworden, der große Teile meines Körpers erfasst hatte. Nervenbahnen, ey… Es wurde finster. Meine Tage bestanden aus Tabletten, Spritzen, Liegen, mehr Tabletten, mehr Spritzen und viiiel mehr Liegen.
Doch als ich da so rum lag, unfähig mich zu bewegen, merkte ich zunehmend eine starke Bewegung in meinem Inneren. Die anfängliche Langeweile und Frustration wich einem neuen Gefühl.
Auf einmal war da eine unfassbar kraftvolle Ruhe
Ich merkte wie all der Druck und die hohen Erwartungen, die ich mein ganzes Leben lang an mich gestellt hatte, einfach von mir abfielen. Worte, die mein Ausbilder uns so oft, während der Yoga-Lehrer-Ausbildung gesagt hatte, ergaben zum ersten Mal wirklich Sinn für mich. In der Schlussentspannung, zum Ende jeder Praxis-Einheit ließ er uns wissen: “Es gibt nichts zu tun.” Nichts tun zu können bedeutet schließlich auch nichts tun zu müssen. Ich fühlte mich unfassbar frei und gelassen.
. Den Puls des eigenen Herzens fühlen. Ruhe im Inneren, Ruhe im Äußeren. Wieder Atem holen lernen, das ist es.
Christian Morgenstern
Die Aussöhnung – du bist ein Teil von mir
Jetzt konnte ich auch die Worte meiner Ärzte und Physiotherapeuten annehmen. Ich verstand, dass eine Verletzung, wie die meine, keinen linearen Heilungsverlauf bedeutet. Sie würde immer ein Teil von mir bleiben und ich würde nicht nur lernen, damit zu leben. Ich würde sie, als Teil von mir, vollständig annehmen und lieben lernen. Das war der Moment, indem die eigentliche Heilung beginnen konnte. Nicht nur die Heilung von der Verletzung in meinem Rücken, sondern auch von all den Verletzungen, die ich mir selbst über die Jahre emotional zugeführt hatte. Selbstliebe bekam für mich eine völlig neue Bedeutung. Die Geschichte dieser Heilung möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt mit dir teilen.
Weil ich mich immer gerne mit einem Lächeln verabschiede…
HIER meine Top 3 Dinge, für die ich durch meine Verletzung eine völlig neue Wertschätzung gelernt habe
- Zeit mit mir selbst verbringen
- Garbhasana – die Stellung des Kindes
- Heizdecken
Nutsmaste – the crazy in me honors the crazy in you <3